Der Start mit zwei Siegen war gut, in Wuppertal gab es ein 0:0, dort wurde den Essenern in der 90. Minute ein Abseitstor zurückgepfiffen. Im Anschluss gab es drei Heimspiele gegen Viktoria Köln, Gladbach II und Rödinghausen, die alle verloren wurden. Das hat den Verein zurückgeworfen, zum Ende der Hinrunde hat sich die Mannschaft von Trainer Sven Demandt wieder berappelt. Wir sprachen mit Essens Präsidenten Michael Welling über die Hinrunde.
Michael Welling, die Hinrunde ist vorbei, RWE hat sie auf Platz 4 abgeschlossen. Wie fällt Ihr Fazit der Hinrunde aus? Wenn ich die gesamte Hinrunde betrachte, dann gibt es folgendes Fazit. Trotz der schlechten Phase haben wir uns stabilisiert, das ist auch ein Qualitätsmerkmal. Das hat Sven Demandt mit seinem Team sehr gut hinbekommen. Zudem – ein Blick in die letzte Saison ist nicht sexy, das weiß ich - ist schon viel passiert mit Blick auf die letzte Hinrunde. Wir sind nicht mehr so anfällig. Wenn ich jedes einzelne Spiel durchgehe, würde ich tendenziell sagen, dass wir da, wo wir Punkte durch Niederlagen oder Unentschieden abgegeben haben, zumindest immer nah an einer besseren Punktausbeute waren. Auch wenn Jürgen Lucas sagt, dass wir uns beim Remis gegen Schalke II nicht über eine Niederlage hätten beschweren können. Daher fällt mein Fazit - auch wenn es der eine oder andere Fan anders sehen wird - erst einmal positiv aus. Ich sehe aber auch, dass wir noch nicht so spielen, wie wir uns das immer wünschen, wir haben eindeutig noch Steigerungspotential als Mannschaft, aber auch viele Spieler haben ihr Leistungsvermögen noch nicht erreicht. Daher ist die Unzufriedenheit bei einigen Anhängern nachvollziehbar, die Art, wie es ausgedrückt wird, nicht immer.
Zuletzt wurden die Fans unruhig, weil es zum Beispiel gegen Schonnebeck im Pokal nicht lief, zudem auch gegen Wiedenbrück in der Liga nicht. Das ist normal, wir werden dann auch mal unruhig. Wir haben vor der Saison gesagt, wir wollen mit breiter Brust auftreten, Frank Kurth hat das am Beispiel von Wiedenbrück gesagt, vor denen man keine Angst haben darf – vor allem nicht an der Hafenstraße. Das ist auch so, aber trotzdem ist das ein Prozess. Und nur weil man das sagt, haut man nicht jeden Gegner weg. Trotzdem muss das eine Denkhaltung sein, zu der wir stehen. Wir müssen uns als RWE im Klaren darüber sein, dass wir in der Regionalliga - vermutlich auch in der 3. Liga - tendenziell immer der Favorit sind. Es ist auch für jeden Gegner gegen uns das Spiel des Jahres und die Erwartungen dementsprechend hoch. Das muss für uns eine normale Situation werden und darf uns nicht überraschen. Wir müssen selbstbewusst sein und knallhart unser Ding durchziehen.
Es scheint so, als ob der eine oder andere Spieler dem Druck an der Hafenstraße nicht immer gewachsen ist... Druck gibt es immer, das gehört dazu. Aber das macht es ja auch aus. Man kann das Thema aber auch positiv deuten: Wer lernt, mit der besonderen Situation an der Hafenstraße und bei Rot-Weiss Essen umzugehen, der wächst daran. Denn das Tolle ist doch, dass wir bei Rot-Weiss Essen etwas haben, was man an vielen Standorten vergeblich sucht: Relevanz und eine besondere Stimmung.
Trotzdem belastet es den einen oder anderen Spieler, wenn eine ganze Tribüne die eigene Truppe auspfeift... ...das mag sein, aber wir sollten aufhören, das Thema Druck bei RWE zu sehr zu thematisieren. Druck ist hier immer vorhanden und die Spieler müssen lernen, damit umzugehen....
Das klappt bei dem einen schneller, beim anderen dauert es etwas länger und natürlich gibt es Faktoren, die sich positiver oder negativer auf diesen Prozess auswirken. Gerade in dieser Saison ist die Unterstützung aber sehr gut. Einige Zuschauer schlagen zwar mal über die Stränge, Vollidioten gibt es aber überall. Was nicht heißt, dass man so etwas ignorieren sollte. Einigen Fans muss man schon den Spiegel vorhalten, die manchmal denken, weil Sie eine Eintrittskarte gekauft haben, darf jeder Anstand und Respekt vergessen werden oder weil sie ja Rot-Weiss Essen Fans sind und das schon immer so war, darf man sich alles erlauben. Dem ist nicht so, es gibt für Grenzüberschreitungen keine Entschuldigungen!
Ein positives Beispiel ist Keeper Niclas Heimann. Der hat einen schweren Stand bei den Anhängern, bringt aber trotzdem seine Leistung.Die haben hier auch eine klare Meinung, oder? Niclas ist am Ball - wie viele Trainer bestätigen - einer der besten Keeper der Regionalliga - vielleicht sogar der dritten Liga. Klar hat er auch mal schlechtere Spiele dabei – die findet man aber eben auch bei Torhütern der Bundesliga, da verschwimmen bei Rot-Weiss Essen oft die Relationen. Aber wir haben gerade über Druck gesprochen. Und wenn ich sehe, wie Niclas teilweise angegangen wird, dann ziehe ich meinen Hut davor, wie er das hier macht. Das finde ich richtig klasse. Es gibt sogar Chaoten, die freuen sich, dass er sich verletzt hat. Da fehlt mir jedes Verständnis, da könnte ich mich in Rage reden.
Timo Brauer ist ein anderes Thema, das die Fans beschäftigt. Er war im Sommer der Königstransfer, hat aber bisher keine überzeugende Hinrunde gespielt. Wie sehen Sie seine Position? Er ist einer der Spieler, der noch Möglichkeiten nach oben hat. Warum das so ist, das ist schwierig zu beurteilen. Es ist eine neue Situation für ihn. Mit seinem Wechsel waren sehr viele Hoffnungen verbunden, auch wenn „Königstransfer“ eher die Formulierung in der Presse war. Ich glaube, er selbst kommt damit auch klar. Trotzdem muss er erstmal richtig ankommen. Er ist ein Teamplayer, er ist keiner der sagt, hier bin ich, ich reiße jetzt alles an mich. Vielleicht war auch an der einen oder anderen Stelle die Erwartungshaltung zu groß. Ich bin - was Timo angeht - sehr zuversichtlich. Er selbst ist sehr erpicht darauf, dass es besser läuft. Er wird alles dafür tun, da mache ich mir keine Sorgen, denn der Transfer war auch langfristig angelegt. Er ist aber auch jetzt schon wichtiger für die Mannschaft, als man das manchmal von außen wahrnimmt, aber ein Heilsbringer ist er definitiv nicht, das wäre auch die falsche Erwartungshaltung. So haben wir das auch nie formuliert.